sculpture in motion

Über das Werk von Franz Bahr

Zu den bekannten Vertretern der postmedialen Skulptur gehört Franz Bahr. Der Künstler, der 1966 in Köln geboren wurde, studierte zunächst an der Fachhochschule Köln im Bereich Metallbildhauerei und darauf Design an der International School of Design mit Abschluss Diplom. Aufgrund seiner breiten Kenntnisse um die Materialeigenschaften gelingt es ihm, neue Materialien nicht nur als Materialien im Feld des Experimentellen einzusetzen, wie z. B. in der Arte Povera üblich, vielmehr operiert er auch mit neuen Bedeutungen dieser Materialien.

Ein zentrales Moment des Werks ist die Zeichnung, die medial digitalisiert wird, so dass ein Laser die Edelstahlformen exakt ausschneidet, die vom Künstler genau verschweißt werden. Erst dann wird durch ein Ventil Luft in die leere Hülle gepumpt. Das plastische Verfahren des Aufblasens, die Geometrie der Formen und die Sinnlichkeit des Materials bewirken auch bei großen Formaten wie Big Pillow oder Awareness of Axa eine luftige Dreidimensionalität, die nicht gewichtig im Raum liegt, sondern sich schwerelos darin ausdehnt. Das pneumatische Prinzip unterwandert den stilisierten volumenschweren Minimalismus, so entstehen reduzierte und doch energetische Figuren, die die Wahrnehmung des Betrachters herausfordern. Der Künstler, der die bildhaften Formen ausschneidet, lässt sie in der Folge dreidimensional in den Raum wachsen, so auch in der Arbeit Carnero, so wird über die Bildwirklichkeit der Kopf des Widders Wirklichkeit.

Franz Bahrs Arbeiten thematisieren den Transformationsprozess vom Gegenstand zum Bild und umgekehrt, d. h. vom in die Fläche gekippten Plastischen zum Dreidimensionalen. Die Skulpturen des Künstlers stehen in enger Verbindung mit der zeichnerischen Arbeit, mehr noch, Skulptur und Zeichnung bedingen einander. Im Brennpunkt steht die Frage, wie die Objekte unseren Sinnen begegnen und wie wir die Wahrnehmung zwischen Zwei- und Dreidimensionalität ausloten. So wie Franz Bahr den Raum erfasst und gestaltet, sprengt er die traditionellen Gattungsgrenzen. In Hinblick auf Bahrs Werk beschränkt sich diese Erweiterung nicht allein auf die Eroberung des Raumes, sondern vor allem auch auf einen experimentellen Umgang mit ihm. Positiv und Negativ, Sein und Schein spielen auch eine Rolle in den pneumatischen Skulpturen. Mit den zunächst zweidimensional in Form gebrachten flachen Metallblechen vollzieht sich eine Verwandlung, um sich vor Ort als stabiles dreidimensionales Objekt auszudehnen und zu wachsen. Das pneumatische Prinzip erweist sich hier als Schnittstelle zwischen Fläche und Raum. Im Gegensatz zum Aufblasen eines Ballons, kann der Vorgang nicht rückgängig gemacht werden, er ist irreversibel. Die Dialektik von Präsenz und Absenz, Positiv und Negativ, Licht und Schatten steht im Brennpunkt des Werks von Franz Bahr, das skulpturale und konzeptuelle Elemente vereint.

© Dr. Barbara Aust-Wegemund, Kunsthistorikerin M.A., März 2009